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Gewaltspiele können etwas Gutes sein!

30.06.2011 | 2 Kommentare

Eine Fortbildung zum Thema „
Computer- & Konsolenspiele: Chancen und problematische Aspekte“ veranstaltete das Jugendamt Recklinghausen in Kooperation mit dem
Kriminalkommissariat für Kriminalprävention/Opferschutz, Recklinghausen und
Phoenix e.V., Herne am 29. Juni 2011. Teilnehmer waren fünfzehn Mitarbeiter offener Jugendhilfeeinrichtungen, die ihr Wissen überprüfen, erweitern und gegenseitig hinterfragen wollten.

Ich hatte mir für meinen Vortrag „Medienkompetenz ist toll und Computerspiele sind schlecht?“ zum Ziel gesetzt, einmal die positiven Aspekte zu beleuchten, die das Spielen an Konsole und PC hat. Besonders wichtig war mir zu zeigen, dass gerade auch Gewaltspiele besser sind als ihr Ruf. Denn bisher fehlen nicht nur Studien, die einen Wirkzusammenhang zwischen dem Spielen von Actionspielen und dem Ausführen von Gewaltverbrechen darstellen, vielmehr zeigen
Metaanalysen, dass gerade das Spielen von Egoshootern geeignet sein kann, bestimmte Fähigkeiten zu verbessern. Metaanalysen haben dabei den Vorteil die Effekte verschiedener Studien quasi zu „verrechnen“ und so verdichtet und gut zeigen zu können, was die Quintessenz eines Forschungsbereichs ist.

 

Und so zeigte sich bereits vor 2 Jahren, dass vor allem das Spielen von Gewaltspielen die Reflexe der Spieler nachhaltig verbessern kann. Das Besondere dabei ist, dass sich nicht nur die
Reaktionsgeschwindigkeit erhöht, sondern zudem die Fehlerrate dabei gleich bleibt. Normalerweise ist es nämlich so, dass schnellere Reaktionen eine höhere Fehlerrate mit sich bringen: nicht jedoch bei erfahrenen Actionspielern! Ein wichtiger Befund, wenn man sich klar macht, dass der (Berufs)Alltag voll von Anforderungen ist, bei denen es um richtige und schnelle Reaktionen geht.

Doch auch dass Vorurteil, dass man vor der Konsole vereinsame, griff ich auf, und führte exemplarisch aus, dass LAN-Parties und Clans ebenso gesellig sein können, wie der Kegelabend der Nachkriegsgeneration, wobei bei letzterem sicherlich öfter und mehr Drogen (Alkohol) im Spiel sind als bei den meisten Spielertreffen.

Besonders kontrovers wurde mein Verweis auf ein wegweisendes Urteil des Supreme Court in den USA aufgenommen. Dieser hatte das staatliche Weitergabeverbot von PC-/Konsolen- Spielen gekippt und in seiner Begründung u.a. auf die extreme Grausamkeit vieler Märchen verwiesen.

Meine Ausführungen, dass die Geschichte von Hänsel und Gretel induzierungswürdige Gewalt im Sinne des § 131 StGB enthalte, gingen Einigen dann doch zu weit. Dabei ist für mich der Fall klar: zwei Kinder verbrennen eine alte Frau, die sie davor gequält hat, und rauben sie aus. Dies wird dann als Happy-End gefeiert. Für mich finden sich hier „grausame oder […] unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art […], die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt“.

Um nicht missverstanden zu werden: ich bin natürlich nicht für das Verbot von Märchen, sondern vielmehr für einen entspannteren Umgang mit Gewaltspielen.

Dem Argument, beim Hören eines Märchen bildeten sich ja (angeblich) unschuldigere Bilder im Kopf eines Kindes, als beim Betrachten einer Gewaltdarstellung im Spiel, konnte ich dann so gar nicht folgen. Meiner Auffassung von Wahrnehmung nach verankert sich Selbstgedachtes tiefer als Betrachtetes und die Tatsache, dass extreme Gewalt bei Märchen wohl verniedlichend abgespeichert wird, finde ich eher bedenklich als beruhigend. Aber die Diskussion, die hier unter den Pädagogen und vier jugendlichen „Spielern“ entbrannte, erfreute mich sehr. Dabei zeigte sich, dass es viel unvoreingenommenen Diskussionsbedarf gibt.

Leider untergräbt der Terror der Political Correctness diesen Gesprächsfluss all zu oft, was hier jedoch nicht der Fall, u.a. dank der wertschätzenden Moderation durch Petra Heinig vom Fachbereich Kinder, Jugend und Familie und die unaufgeregten Facheinwürfe von Rainer Friepörtner von der Polizei Recklinghausen.

Sicherlich gibt es auch Kinder und Jugendliche, bei denen Computerspiele Suchtpotentiale ausnutzen, die sich nur noch in virtuellen Welten aufhalten und  darüber die offline-Welt vergessen. Aber besser als jedes Verbot wirkt aktive Aufklärung und vor allem die Stärkung der Eltern, die gefragt sind, wenn es darum geht, ihren Kindern einen sinnvollen Umgang mit Medien zu lehren.

2 Kommentare

  1. sehr gut! 😉

  2. aus dem postillon (der-postillon.com) von gestern:

    Berlin (dpo) – Eine neue Studie im Auftrag des Gesundheits- und des Justizministeriums, die heute in Berlin vorgestellt wurde, dürfte die Hysterie um die Gefahren sogenannter „Killerspiele“ ein für allemal beenden. Aus der Untersuchung geht hervor, dass nahezu 80 Prozent aller jugendlichen Konsumenten von Ego-Shootern zu fett für einen Amoklauf sind – und auch um den Rest steht es nicht gut.

    http://feedproxy.google.com/~r/blogspot/rkEL/~3/EYwLXVYjRDs/studie-vier-von-funf-killerspiele.html