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Holocaustleugnung & Auschwitz-Lüge

24.01.2012 | 0 Kommentare

Am 27. Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz befreit. Es wurde zum Synonym für den Rassenwahn der Nationalsozialisten und ihren Versuch eine ganze Bevölkerungsgruppe auszulöschen. Die Schuld, die viele Deutsche in dieser Massenermordung auf sich geladen haben, war für Einige schwer zu akzeptieren. Sie leugnen die Realität des Holocaust, sprechen von der „Auschwitz-Lüge“.

Während Unverbesserliche diese in den USA frei verbreiten dürfen, stellt die Holocaustleugnung in der BRD eine Straftat dar.

Der Kölner Jurist und Blogger Ralf Neugebauer (48) sprach mit mir über die Strafbarkeit der Leugnung der Auschwitz-Lüge.

 

  • Die Leugnung des Holocausts steht in Deutschland unter Strafe. Was ist dafür die juristische Grundlage und welches Strafmaß kann verhängt werden bzw. wird verhängt?

Die juristische Grundlage dafür ist der Straftatbestand der Volksverhetzung,
§ 130 des Strafgesetzbuches (StGB).

Soweit es die Leugnung des Holocaust angeht, sind vor allem § 130 Abs. 3 und Abs. 4 StGB interessant: Nach Abs. 3 wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer den unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermord in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Nach Abs. 4 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstraft bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Die etwas unübersichtliche Bestimmung in Absatz 5 stellt in derartigen Fällen auch das Verbreiten solcher Äußerungen unter Strafe.

Wichtig scheint mir der Hinweis zu sein, dass damit das öffentliche Leugnen des von den Nationalsozialisten begangenen Völkermordes unter Strafe steht, nicht aber das Leugnen an sich. Es geht letztlich um eine Störung des öffentlichen Friedens durch die Verharmlosung dieser Verbrechen.

Die Frage danach, wie hoch tatsächlich im Einzelfall eine Strafe ausfällt, kann ich nicht beantworten. Zum einen fehlt mir insoweit die praktische Erfahrung, zum Anderen hängt das sehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Soweit ich die Berichterstattung verfolge, dürften die meisten Täter in diesem Bereich nicht zum ersten Mal verurteilt werden – das wirkt sich natürlich auf das Strafmaß aus.

 

  • Laut Artikel 5 des Grundgesetzes hat jeder „das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]“. Gilt das nicht für objektiv falsche Meinungen wie die Holocaustleugnung?

Meinungen können nicht objektiv richtig oder falsch sein, denn der Begriff der Meinung, so, wie das Grundgesetz ihn versteht, bezieht sich auf etwas Subjektives. Ob eine Meinung »richtig« oder »falsch« ist, ist also eine Frage des jeweiligen Standpunkts.

Objektiv wahr oder falsch sein können nur Tatsachen. Unwahre Tatsachenbehauptungen unterliegen deshalb schon nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit, denn es geht ja gar nicht um Meinungen, sondern Tatsachen. Auch wenn die Abgrenzung in vielen Fällen sehr schwierig ist, dürfte eine Leugnen des Holocaust aber wohl unzweifelhaft eine unwahre Tatsachenbehauptung, eine Lüge also, darstellen, der der Schutz der Meinungsfreiheit nicht zugute kommt.

Hinzu kommt, dass kein Grundrecht völlig schrankenlos existiert. Es ist ja auch immer das eine Grundrecht gegen das andere abzuwägen, also z.B. die Meinungsfreiheit gegen die Menschenwürde der Opfer.

 
 

Das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte – der Holocaust!

(Quelle: ReservasdeCoches.com / Flickr / CC-BY-SA)

  • Können Sie den Unterschied zwischen US-amerikanischer Redefreiheit und deutscher Meinungsfreiheit erklären?

Eine interessante Frage. In der Tat ist ja zum Beispiel das Leugnen des Holocaust in den USA nicht verboten. Und das hat nicht nur mit der unterschiedlichen historischen Rolle zu tun.

Ganz vereinfacht gesagt geht es in den USA um Redefreiheit und in Deutschland um Meinungsfreiheit.

Und Redefreiheit geht viel weiter, als Meinungsfreiheit. Redefreiheit schließt im Prinzip ein Recht zur Verbreitung von Lügen ein. Das hat zwar den Vorteil, dass die häufig nicht ganz einfache Abgrenzung entfällt, aber andererseits stellt sich die Frage, ob es ein Grundrecht auf Verbreitung von Lügen geben muss.

Man muss ja auch die Personen schützen, auf die sich solche Äußerungen beziehen.

Ich halte es zum Beipiel für schwer verständlich, dass zum Beispiel Präsident Obama nicht gegen die Verbreitung der Behauptung, er sei kein geborenen Amerikaner vorgehen kann, ein ehemaliger deutscher Kanzler aber erfolgreich Äußerungen über die Art seiner Haarpflege unterbinden kann.

  • Was ist eigentlich wenn ein Geschichtslehrer im Unterricht mit holocaustleugnerischen Aussagen konfrontiert wird: darf er da offen drauf eingehen und muss er stets Anzeige erstatten (bei strafmündigen Schülern)?

Eine solche Äußerung eines Schülers im Unterricht ist wohl schon nicht strafbar, denn zum einen ist der Schulunterricht ja keine Versammlung und zum anderen dürfte eine solche Äußerung im Unterricht den öffentlichen Frieden nicht wirklich gefährden.

Das gilt ganz abgesehen von dem Umstand, dass grundsätzlich niemand verpflichtet ist, eine Straftat anzuzeigen. Der Lehrer muss also nicht seine Schüler anzeigen, sondern kann – hoffentlich adäquat – pädagogisch reagieren. Eine Aufgabe, um die ich Lehrerinnen und Lehrer nicht beneide.

 

Dies ist zumindest der juristische Rahmen der Holocaustleugnung. Doch wie verbreitet ist die Verschwörungstheorie von der „Auschwitz-Lüge“ und wie stark wird ihr zugestimmt? Die war eine der Fragen in meiner laufenden Dissertation zu 95 Verschwörungstheorien.

Dabei erreichte die Holocaustleugnertheorie einen sehr hohen Bekanntheitswert mit einem Mittelwert [MW] von 85,5% und  Rang 8 von 95 bei 1142 Befragten. Die Zustimmung fiel jedoch sehr gering aus, mit einem MW von 3,28% und Rang 93 bei 686 Befragten.

Dieses Ergebnis ist erfreulich, da normalerweise Bekanntheit und Zustimmung miteinander korrelieren (r=0,578), d.h. höhere Bekanntheitswerte meist auch höhere Zustimmungswerte haben.

Ausruhen auf der Gesetzeslage und der geringen Zustimmungsrate sollten wir uns aber nicht. Oder wie es der KZ-Überlebende und Friedensnobelpreisträger
Ellie Wiesel formulierte:

„Es liegt jetzt an euch, und wir werden euch dabei unterstützen
– dass meine Vergangenheit nicht zu eurer Zukunft wird.“

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