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Ein Blogger packt aus!

17.08.2011 | 0 Kommentare

Florian Freistetter betreibt den überaus erfolgreichen Wissenschaftsblog „
Astrodictum Simplex„. Im Interview beleuchtet er das Bloggen, die Wissenschaft, die Skeptikerbewegung, Religion und den ganzen Rest. Eine Kurzfassung dieses Gespräch findet sich im GWUP-Blog.

Herr Freistetter, direkt die simpelste Frage zu Beginn: Wie sind Sie wann auf die Idee gekommen, ihren Blog ins Leben zu rufen?

Ich habe irgendwann angefangen, (Wissenschafts)blogs im Internet zu lesen und fand dieses Medium sehr spannend. Als ich dann einmal ’ne Zeit lang arbeitslos war und auf einen neuen Vertrag an der Uni wartete, dachte ich mir, ich könne die Zeit ja mal nutzen, um selbst so ein Blog zu schreiben. Ich wollte einfach mal ausprobieren, wie das so läuft. Außerdem war ich immer schon der Meinung, dass Öffentlichkeitsarbeit ein integraler und enorm wichtiger Teil der wissenschaftlichen Arbeit ist und so konnte ich einen neuen Weg der Öffentlichkeitsarbeit ausprobieren

Auch wenn Sie das bestimmt schon 1.000 Mal gefragt worden sind: wie kamen Sie zu diesem ungewöhnlichen Blognamen?

 

Ich lebe seit fast 7 Jahren in Jena und hier ist der Mathematiker und Astronom Erhard Weigel sehr populär. Er lebte im 17. Jahrhundert und war Professor für Mathematik an der Universität Jena. Seine Vorlesungen waren enorm populär und Weigel machte sich auch viele Gedanken über pädagogische Konzepte und darüber, wie man Kindern die Mathematik beibringen konnte. Nebenbei war er Erfinder und dachte sich jede Menge technische Spielereien aus. Sein ehemaliges Haus, vollgestopft mit solchen Erfindungen, zählt zu den „Sieben Wundern von Jena“. Eines seiner Geräte war das „Astrodicticum Simplex“, was so viel bedeutet wie „Einfacher Sternenweiser“. Das war ein Himmelsglobus mit einem speziellen Aufsatz. Man konnte mit einem Zeiger auf einen Stern am Globus zeigen und ein großer Zeiger deutete dann auf die Position des Sterns am realen Himmel. Das alles erschien mir passend als Motto für ein Blog über Astronomie. Außerdem ist „Astrodicticum Simplex“ ein Name, der außergewöhnlich ist und auffällt – und zum damaligen Zeitpunkt bei Google noch völlig unbekannt war; also auch aus Gründen der Suchmaschinenoptimierung kein schlechter Name. 

Wie erklären Sie sich den großen Erfolg von Astrodictum Simplex?

Ich bin kein Medienexperte. Ein Grund ist sicherlich die Häufigkeit, mit der bei mir neue Artikel erscheinen. Ein weiterer die Themenauswahl. Blogs, die sich nur mit sehr speziellen Themen der Wissenschaft beschäftigen, haben zwangsläufig auch nur ein sehr kleines, fachlich kompetentes Publikum. Ich probiere aber immer so zu schreiben, dass es jeder versteht, egal ob man Ahnung von Astronomie/Naturwissenschaft hat oder nicht. Außerdem beschäftige ich mich in meinem Blog nicht nur mit der reinen Wissenschaft sondern auch mit anderen Themen. Zum Beispiel der Wissenschaftspolitik oder den diversen Aspekten der Pseudowissenschaft. Denn wenn man den Menschen erklären möchte, was Wissenschaft ist und warum sie wichtig ist, dann muss man – meiner Meinung nach – auch unbedingt erklären, was KEINE Wissenschaft ist und sich mit denjenigen beschäftigen, die dem Verständnis der Wissenschaft aktiv entgegen arbeiten, also den Pseudowissenschaftler und Esoterikern. Themen dieser Art ziehen natürlich ein viel größeres Publikum an als nur die nackte Wissenschaft; außerdem sind sie kontrovers wodurch sich oft heftige Diskussionen entwickeln die wieder neue Leser animieren sich zu beteiligen.

Meiner persönlichen Meinung nach gibt es aber noch einen weiteren wichtigen Aspekt der ein Blog erfolgreich macht. Zumindest für mich ist ein Blog mehr als eine Art Ein-Personen-Internetzeitung und Bloggen ist nicht unbedingt mit Journalismus gleichzusetzen. Im Gegensatz zu einem Text in einer normalen Zeitung ist es also kein Problem, wenn ein Artikel in einem Blog persönlich gefärbt bzw. subjektiv ist. Es sollte sogar so sein; ich denke das ist etwas, was viele Menschen spannend finden: Nicht nur darüber informiert zu werden, was Wissenschaftler herausgefunden haben, sondern auch live zu sehen, wie ein konkreter Wissenschaftler diese Forschung einschätzt, was er davon hält bzw. ganz unabhängig von irgendwelcher Forschung einfach mal zu sehen, was ein Wissenschaftler privat so treibt. Es schadet daher nicht, wenn man in seinem Blog auch seine eigene Persönlichkeit kommuniziert; gerade das trägt meiner Meinung nach stark dazu bei, dass sich eine Art Community entwickelt, dass sich Stammleser einfinden und die machen ein Blog am Ende dann erfolgreich.

 

Wie viele Besucher hat Astrodictum Simplex am Tag, in der Woche, im Monat?

Natürlich variieren die Werte. Am Tag sind es so zwischen 3000 und 5000; manchmal auch mehr. In der Woche um die 20000 bzw. 30000 und im Monat können es auch schon mal 150000 werden.

Gibt es Themen, bei denen Sie besonders viele Besucher im Blog haben?

Natürlich werden nicht alle Themen gleich oft gelesen. Besonders viele Besucher interessieren sich bei mir zur Zeit für den
angeblichen Weltuntergang im Jahr 2012

 

Hinter Astrodictum Simplex steckt bestimmt jede Menge Arbeit, wie kriegen Sie dies eigentlich mit Ihrer Erwerbsarbeit verbunden? Wieviel Zeit pro Woche investieren Sie in Ihren Blog?

Die Zeit die ich für das Blog verwende, ändert sich je nach Themenlage bzw. privaten Terminen. Im Durchschnitt verwende ich etwa ein bis zwei Stunden pro Tag dafür, um neue Artikel zu schreiben. Dazu kommt mal mehr, mal weniger Zeit um auf Blog-Kommentare und Emails zu antworten. Im Endeffekt ist es aber zeitlich kein Problem. Andere Menschen schauen Fernsehen oder sammeln Briefmarken. Ich nutze eben meine Freizeit (u.a.) um mein Blog zu schreiben.

Welche anderen Blogs und Internetseiten zum Thema Wissenschaft können Sie unseren Lesern empfehlen?

Da gibt es natürlich viele. Die beiden großen Blogportale – ScienceBlogs und Scilogs – bieten jede Menge interessante Autoren. Was die Physik angeht, sind „Welt der Physik“ und das „physikBlog“ gute Adressen. In der Astronomie kann ich die Seite der europäischen Südsternwarte (ESO) empfehlen; hier wird man immer über die aktuellen Forschungsergebnisse am Laufenden gehalten. Wer an Details über die ganz aktuelle physikalisch /astronomische Forschung interessiert ist, der kann sich bei astrobites bzw. dem physics arXiv-Blog die spannensten Fachartikel erklären lassen.

Natürlich gibt es noch Unmengen anderer Blogs und Internetseiten die man empfehlen könnte; mein Feedreader hat an die 300 Einträge… aber dafür reicht wohl der Platz nicht aus. Ganz uneigenützig muss ich aber noch Werbung für zwei andere Blogs machen, an denen ich als Autor beteiligt bin: Das Forschungs-Blog der Fraunhofer Gesellschaft und „Wissenschaft in Jena“. Und bei „De Plagio“ schreibe ich gemeinsam mit anderen Wissenschaftsbloggern über Plagiate und wissenschaftliches Fehlverhalten.

Der Skeptiker-Blog rangiert ja hinter Astrodictum Simplex auf Platz 2 der Wissenschaftsblogs. Machen Sie sich ab und zu eigentlich Gedanken darüber, wie Sie den Platz 1 halten können? Wie wichtig ist Ihnen überhaupt das Ranking Ihres Blogs?

Naja – Rankings sind immer auch willkürlich. Es ist ja schwierig, den Erfolg eines Blogs numerisch zu quantifizieren. Nimmt man dafür nur die Seitenaufrufe? Oder die Zahl der Verlinkungen von anderen Blogs? Die Zahl der Kommentare? Eine Kombination aller Werte?

Insofern hängt die Position im Ranking immer vom Algorithmus ab, den die Macher des Rankings verwenden. Man sollte den Rankings daher nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Was natürlich nicht heisst, dass ich mich nicht sehr darüber freue, Nummer 1 bei den Wissenschaftsblogs zu sein (und in den Top 40 des Rankings aller deutschsprachigen Blogs) – zumindest was den Algorithmus des Wikio-Rankings angeht.

Besondere Gedanken über den Erhalt der Platzierung mache ich mir aber nicht. Ich führe mein Blog so, wie ich es immer schon geführt habe. Wenn ich damit auf Platz 1 lande, ist das schön. Wenn nicht, dann ist das aber auch nicht tragisch.

Meiner Beobachtung nach ist die verständliche und amüsante Aufbereitung wissenschaftlicher Themen in Deutschland zwar von vielen gewünscht, wird aber nur von wenigen tatsächlich vollzogen. Sehen Sie dieses ebenso und worin vermuten Sie die Ursachen?

Der Grund liegt meiner Meinung nach in der Priorität, die den verschiedenen Tätigkeiten der Wissenschaftler zugemessen wird. Die Qualifikation eines Wissenschaftlers wird i.A. einzig von seiner Forschungsarbeit bestimmt, d.h. von der Anzahl seiner wissenschaftlichen Publikationen. Das ist das Hauptkriterium, dass bei Anträgen auf finanzielle Förderung und bei Bewerbungen zum Einsatz kommt. Ob sich ein Forscher nebenbei noch in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, spielt so gut wie keine Rolle. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Wissenschaftler so wenig Zeit wie möglich mit Öffentlichkeitsarbeit verbringen – denn das ist alles Zeit, die sie besser in Forschung und die Publikation von Artikeln investieren können.

Dem Wissenschaftler kann man hier kaum einen Vorwurf machen; ändern ließe sich das System nur, wenn man die Bewertungsrichtlinien ändert. Also zum Beispiel bei der Vergabe von Drittmitteln auch verpflichtend festlegt, dass die Ergebnisse der Forschungsarbeit auf die eine oder andere Art der Öffentlichkeit vorgestellt werden müssen. Oder bei der Beurteilung von Bewerbern oder Kandidaten auch deren Leistungen in Lehre und Öffentlichkeitsarbeit berücksichtigt.

Es gäbe genug Menschen in Deutschland – Wissenschaftler und andere – die kompetent und begeistert genug sind, um vernünftig und spannend Wissenschaft zu vermitteln. Man muss ihnen nur die Möglichkeit geben, das auch zu tun.  

 
 

Quelle: Marxchivist / Flickr / CC-BY-SA

Meines Wissens nach sind Sie kein GWUP-Mitglied. Von außen betrachtet: Was zeichnet Ihrer Meinung nach die deutsche Skeptiker-Bewegung aus? Was sehen Sie kritisch? Wo haben wir noch Verbesserungspotential?

Kritisch ist das, was eigentlich bei allen Vereinen kritisch ist (und der Grund, warum ich in fast keinem Verein Mitglied bin): man läuft immer Gefahr, sich irgendwann nur mit sich selbst zu beschäftigen bzw. sich in für den Rest der Welt unverständlichen Fehden mit „Gegnern“ oder verfeindeten Klubs oder Vereinen zu verlieren. Die typische „Vereinsmeierei“ eben die ich auch bei der GWUP ab und zu sehen. Die Idee der GWUP als allgemeine Anlaufstelle für alle Fragen in Sachen Esoterik und Pseudowissenschaft halte ich für hervorragend und sie scheint auch gut zu funktionieren. Verbessern kann man natürlich immer etwas. Für meinen persönlichen Geschmack sind zum Beispiele zu viele Artikel im „Skeptiker“ zu trocken um wirklich viele Menschen zu erreichen bzw. zu faszinieren. Aber das liegt auch vielleicht wieder daran, dass der Skeptiker eher ein „Vereinsblatt“ ist und auf die GWUP-Mitglieder zielt anstatt der breiten Öffentlichkeit. Das GWUP-Blog finde ich in dieser Hinsicht sehr gelungen. Was mich an der GWUP persönlich immer gestört hat, ist der Name (lächelt). Der ist etwas unhandlich und erzeugt vielleicht auch falsche Bilder. Bei der „wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften“ denkt man irgendwie an ein Forschungsinstitut bei dem tatsächlich Forschungsarbeit durchgeführt wird, was ja bei der GWUP so gut wie nie der Fall ist. Der geht es ja um die Auseinandersetzung mit pseudowissenschaftlichen Themen nach wissenschaftlichen Maßstäben was nicht zwingend eigene Forschung beinhalten muss.

Wo sehen Sie eigentlich die größten Bedrohungen für die Wissenschaft: in religiösem Fundamentalismus, der Esoterik oder in der Kürzung der öffentlichen Haushalte? 

Am Anfang aller Probleme steht mangelnde Bildung. Wer ausreichend über unsere Welt Bescheid weiß, der fällt auch weniger auf religiöse Fundamentalisten oder Esoteriker rein. Fundamentalismus und esoterischen Unsinn entgegenzutreten ist zwar wichtig, aber kann das Problem nicht lösen. Das geht nur, wenn man daran arbeitet, die Menschen ausreichend zu informieren damit sie selbst erkennen können, dass sie hier getäuscht werden. Die meisten Menschen haben ja nur eine vage Vorstellung davon, wie Wissenschaft funktioniert und wie dramatisch sie unsere Welt und unseren Alltag beeinflusst. Solange die Menschen aber die Wissenschaft gering schätzen, wird man auch Haushaltskürzungen nichts entgegensetzen können. Politiker werden sich immer nach der Bevölkerung richten und Wissenschaftler haben keine oder höchstens eine sehr kleine Lobby (zumindest wenn es um Grundlagenforschung geht). Will man die Wissenschaftsfeindlichkeit verringern, Fundamentalismus und Esoterik entgegenwirken und den Menschen (und Politikern) klar machen, dass Wissenschaft wichtig ist und gefördert gehört, dann führt meiner Meinung nach kein Weg an aktiver und intensiver Öffentlichkeitsarbeit vorbei. 

Religiosität und Wissenschaft: Passt das aus Ihrer Sicht zusammen? Wissenschaftlern wird immer wieder vorgeworfen, nicht offen für Neues (Religiöses und Esoterisches) zu sein. Ist da was dran?

Wissenschaftler müssen einerseits immer offen für Neues sein. Denn wie sonst sollen sie ihre Arbeit erledigen, die ja darin besteht, neue Erkenntnisse über die Welt zu finden. Sie dürfen aber auch nicht einfach die schon bekannten Fakten über diese Welt ignorieren; müssen sich also auch eine gewisse konservative Haltung bewahren. Diesen Spagat zwischen Offenheit und Konservativismus hinzubekommen ist oft nicht einfach. Viele Wissenschaftler setzen die Maßstäbe der Wissenschaftlichkeit auch dann an, wenn es um Religion geht. Andere können aber Glaube und Wissenschaft gut miteinander vereinbaren. Ich persönlich wüsste nicht, wie ich so etwas machen sollte.

Nicht nur gibt es keinerlei Belege dafür, dass die grundlegenden Aussagen der Religionen (über die Existenz von Göttern, Wiederauferstehung, Reinkarnation, Wunder, etc) richtig sind – es gibt jede Menge Belege dafür, das viele dieser Aussagen falsch sind (Schöpfungsgeschichte, etc). Ich benötige die Religion auch nicht als moralischen Aufpasser der mir sagt, was ich tun soll und was nicht. Um zu wissen was gut und was böse ist, braucht man kein „Heiliges Buch“ (das ja sowieso auch wieder nur von Menschen geschrieben und interpretiert wird). Ich kann also sagen, dass ich bis jetzt noch nie einen Grund gesehen haben, die Existenz eines Gottes zu postulieren und das alles was ich bis jetzt über die Welt gelernt habe, dieser These widerspricht. Für mich persönlich ist der Glaube an einen Gott absurd und ich wüsste nicht, wie ich ihn mit der wissenschaftlichen Methodik zusammenbringen sollte. Andere Wissenschaftler scheinen das aber erfolgreich zu schaffen.

Diskussionen in Ihrem Blog werden mitunter hart geführt. Wann gehen Ihnen die Diskussionen zu weit?

Ich bin eigentlich sehr tolerant. Zu weit geht es natürlich dann, wenn strafrechtlich relevante Aussagen getätigt werden. Harte oder ungerechfertigte Kritik stören mich meistens auch nicht wirklich, aber manche Kommentatoren ergehen sich nur noch in Beschimpfungen und persönlichen Angriffen – hier ziehe ich dann auch die Grenze. Ansonsten stört mich noch exzessive und vorsätzliche Dummheit. Also Kommentatoren, die immer und immer wieder die gleichen Aussagen machen und alles ignorieren, was man ihnen sagt. Die schmeiße ich auch öfter mal raus.

 

Was müsste eigentlich passieren, damit Sie die Arbeit an Ihrem Blog einstellen?

Keine Ahnung. Ehrlich.

Vielen Dank für dieses Interview.

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