Markus Hemmler (32) ist Mitarbeiter der Polizei Baden-Württemberg und geht seit 12 Jahren einem ungewöhnlichen Hobby nach: er ist
Kryptozoologe. Was das genau bedeutet, welche Probleme diese Tätigkeit mit sich bringt und inwiefern er wissenschaftlich arbeitet, beantwortet er in einem ausführlichen Interview.
Wem das hier zu lang ist, findet hier eine
Kurzfassung.
Herr Hemmler, was ist Krypto-Zoologie überhaupt?
Im Laufe der Jahre haben einige Personen verschiedene Definitionen der Kryptozoologie getroffen, die alle helfen, sie zumindest in ihren Grundzügen zu beschreiben. Die erste davon stammt von Dr. Bernard Heuvelmans: er war der Zoologe, der die Kryptozoologie – beginnend in den 1950ziger Jahren – wie kein anderer prägte und daher als so etwas wie ihr „moderner Begründer“ angesehen werden kann. Nach seiner Auffassung ist sie die wissenschaftliche Studie von Tierformen, deren Existenz nur auf Zeugenaussagen oder Indizien oder auf Material, das als ungenügend bewertet wurde, basiert.
1982 gründete sich die – mittlerweile leider wieder aufgelöste – International Society of Cryptozoology (ISC) als Zusammenschluss interessierter Wissenschaftler diverser Fachbereiche, und erweiterte die Kryptozoologie um den Aspekt der möglichen Existenz bekannter Tiere in Gebieten, wo deren Vorkommen nicht vermutet wird, und das unbekannte Fortdauern vermeintlich ausgestorbener Tiere.
Die aktuellste und zugleich schlüssigste Definition traf der amerikanische Autor Chad Arment, der es in einem langen Satz ziemlich genau auf den Punkt brachte:
Kryptozoologie ist eine zielorientierte, interdisziplinäre Suchmethodik der Zoologie, die im Unterschied zu sonstigen Neuentdeckungen ethnologische Quellen verschiedenster Art nutzt, um möglicherweise existierende, bislang unbekannte oder als ausgestorben gedachte, Tierarten aufzuspüren.
All diese Definitionen decken eine große Bandbreite an „verborgenen Tieren“ ab, angefangen von den Sichtungen von Großkatzen in Australien oder Großbritannien, seltsamen menschenähnlichen Affenwesen auf Sumatra (
Orang Pendek) über Sichtungen ausgestorben gedachter Arten wie der karibischen Mönchsrobbe oder dem
Beutelwolf bis hin zu vielleicht noch lebenden prähistorischen Tieren oder gigantischen Schlangen am Amazonas.
Sie umfasst per Definition zumindest zu einem gewissen Zeitpunkt der Historie auch solche Tiere wie den Berggorilla, das Okapi oder das Riesenwaldschwein. Natürlich muss man klar sagen, dass die Kryptozoologie bei all dem nur kategorisierend ist: man weiß am Anfang eines Ermittlungsprozesses schlichtweg nicht ob ein Kryptid, wie man solch ein vermeintlich verborgenes Tier bezeichnet, eine unbekannte Tierart, ein eigentlich ausgestorbenes Tier, ein psychologisches Phänomen oder doch nicht mehr als ein Mythos ist.
Genau das gilt es herauszufinden.
Warum interessiert Sie persönlich das Thema Krypto-Zoologie?
Die Faszination des Unbekannten und ungelöste Rätsel haben schon immer mein Interesse gefunden, genauso wie Tiere beziehungsweise Zoologie. Hinzu kam meine Leidenschaft für Bücher und im Laufe der Zeit auch die Begeisterung für die notwendigen Recherchearbeiten.
Überhaupt hat sich mein Blickwinkel auf die Kryptozoologie mit der Zeit grundlegend geändert. Die einhergehende Beschäftigung mit Biologie, Wissenschaftstheorie und –geschichte und vielen anderen Bereichen lässt einen die Dinge letztlich auch wesentlich objektiver, differenzierter und nüchterner sehen.
Während dies für viele sicherlich ein Grund ist, ihre „naiv-romantische Vorstellungen“ nicht an wissenschaftlichen Realitäten zu messen, macht es für mich die Kryptozoologie nur noch facettenreicher und interessanter. Und gerade die damit verbundene gut recherchierte Aufarbeitung und die Historie von Kryptiden ist mir heutzutage ein besonderes Anliegen.
Eines der letzten Fotos des ausgestorbenen (?) Beutelwolfs.
Quelle:Wikipedia.de
Wie gehen Sie als Krypto-Zoologe vor?
Bevor ich diese Frage beantworte möchte ich zunächst kurz darauf eingehen, was überhaupt ein Kryptozoologe ist, wenn Sie mich schon so bezeichnen. Kryptozoologie ist keine eigenständige Wissenschaft beziehungsweise kein Wissenschaftsbereich und erfordert daher kein Studium. Auch ist es kein anerkannter Beruf und erfordert so auch keine berufsspezifische Ausbildung. Aus diesen Gründen kann sich jeder, der dies möchte und der sich mit einer entsprechenden Thematik beschäftigt ohne rechtliche Konsequenzen als „Kryptozoologe“ bezeichnen.
Natürlich gibt es beispielsweise in der Zoologie vielfach Leute die sich in bestimmten Einzelbereichen besser auskennen als studierte Biologen selbst und die Entdeckung neuer Tierarten an sich ist ja nicht auf einen Personenkreis beschränkt. Dennoch stehe ich auf dem Standpunkt, dass aufgrund der Verankerung der Methodik letztlich nur involvierte Wissenschaftler als „echte“ Kryptozoologen angesehen werden können.
Insofern trifft ein Begriff wie „Hobby-Kryptozoologe“ eher auf mich zu.
Am Anfang jeder kryptozoologischen Ermittlung steht die Sammlung von Daten. Da mir ja die Aufarbeitung und Historie von Kryptiden ein besonderes Anliegen ist, nehme ich mir in der Regel einen Artikel zu einem bestimmten Kryptiden vor und recherchiere wie jeder gute Journalist hierzu zunächst so viel wie möglich über den Hintergrund.
Da ich keine Feldforschung betreibe, beinhaltet dies die Recherche in der gängigen Literatur, in Bibliotheken, im Internet und so weiter. Oftmals stoße ich dabei auf Daten beziehungsweise Ansatzpunkte, die man nur in den originalen Quellen findet und die mitunter auch ein völlig anderes Licht auf einen Kryptiden werfen können. Habe ich schließlich genug Material zusammen, fasse ich die bisherigen und meine eigenen Erkenntnisse und Analysen zusammen und publiziere diese.
Was spricht Ihrer Meinung nach dafür, was dagegen, die Krypto-Zoologie als eigenständige Wissenschaftsdisziplin anzusehen?
Ich bin natürlich nicht ganz unvoreingenommen, bitte sehen Sie mir das nach.
Ein Aspekt, der eine eigenständige Disziplin innerhalb der Zoologie fördern könnte, ist der Gewinn von Wissen, den die Kryptozoologie ermöglicht. Heutige Entdeckungen innerhalb der Zoologie finden in der Regel nicht durch gezielte Suche statt, es handelt sich vielmehr um Zufallsentdeckungen. Eine eigenständige Disziplin innerhalb der Zoologie könnte hier forcierend wirken und einige Überraschungen bieten. Das zeigt im Übrigen die Entdeckungsgeschichte mancher neu entdeckter Tiere. Dies ist zudem nicht auf die Zoologie beschränkt, sondern auf andere Forschungsgebiete ausdehnbar. Es ist doch z.B. für einen Psychologen oder Soziologen unheimlich interessant, warum derart viele Menschen in einem See ein Ungeheuer sehen, wo biologisch keins ist. Und welcher Ethnologe interessiert sich nicht für die Lebenswelt fremder Kulturen, wozu letztlich auch deren Sicht auf die Fauna gehört?
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Schutz der Kryptiden selbst und ihrer Umwelt. Die Lebensräume von Tieren und die Artenzahlen schwinden in unserer heutigen Zeit unglaublich schnell, der Großteil davon als direkte oder indirekte Auswirkung des menschlichen Handelns. Etwa ein Drittel der vom
IUCN gelisteten Tierarten ist vom Aussterben bedroht. Umso wichtiger ist es doch, bislang unbekannte Tiere rechtzeitig zu identifizieren und sie angemessen zu schützen. Davon profitieren natürlich nicht nur diese sondern auch andere Arten ihres Habitats.
Gegen eine Anerkennung als Wissenschaft spricht für mich vor allem eines: die unwissenschaftliche Arbeit vieler Personen, die sich in der Kryptozoologie wiederfinden. Mir gegenüber bezeichnete dies jemand als „Internet-Kryptozoologie“.
Erst wenn die Kryptozoologie sich dieses Problems bewusst geworden ist und sich davon entfernt hat wird sie womöglich tatsächlich als eigenständige Disziplin der Zoologie anerkannt. Dazu gehört für mich, dass gewisse Standards der Wissenschaftswelt eingehalten werden wie z.B. Peer-Review und ähnliches. Davon ist man aber seit der Auflösung der ISC weiter entfernt als je zuvor.
Gibt es verschiedene Richtungen innerhalb der Krypto-Zoologie?
In der Literatur lassen sich verschiedene Richtungen feststellen, die es mehr oder weniger zur Bekanntheit und weiteren Nutzung gebracht haben.
Ein großer Teil der Kryptozoologie beschäftigt sich mit ethnologischen Quellen über menschen- und affenähnlichen Kryptiden. Dies veranlasste den russischen Wissenschaftler Dr.
Dmitri Bayanov 1937 dazu, den Begriff „Hominologie“ für die Suche nach derartigen Kryptiden einzuführen. Dabei leitete er den Begriff zunächst vom Namen der taxonomischen Überfamilie „Hominoidae“ ab, in der alle menschenartigen Tiere, also Menschenaffen und Menschen, zusammengefasst sind. Er erweiterte die Bedeutung aber später, indem er sie als Zweig der Primatologie und somit als Brücke zwischen Zoologie und Anthropologie beschrieb und demzufolge alle Kryptide mit einem möglichen Hintergrund der Ordnung „Primates“ mit einbezog.
Während der Begriff Hominologie in der Kryptozoologie akzeptiert ist, ist dies für die „Dracontologie“ nicht (mehr) Fall. Der Kanadier
Jacques Boisvert befragte in den 1980er Jahren im Rahmen seiner Forschungen über ein Ungeheuer im See Memphrémagog einen Mönch und Linguisten der Benediktiner von St-Benoît-du-Lac nach einem Wort für eine Wissenschaft von seltsamen, unidentifizierten seebewohnenden Kreaturen. Dieser schlug ihm daraufhin den bereits genannten Begriff „Dracontologie“ vor.
Während Boisvert den neuen Begriff strikt auf Binnensee-bewohnende Kryptide beschränkte, wurde er im Laufe der Zeit als Zusammenfassung für alle wasserbewohnenden Kryptide gebräuchlich. In den neunziger Jahren geriet der selten genutzte Begriff in die Kritik, zumal der Linguist Michael Quinion feststellte, dass sich „dracontologie“ eigentlich auf die Studie von Drachen bezieht, da es sich vom Griechischen „drakon“ (für „Schlange“ oder „Drache“), ableitet. Ein besserer Begriff hat sich bis heute aber nicht gefunden, so dass er weiterhin mehr oder weniger gebräuchlich blieb.
Krypto-Zoologie scheint vor allem etwas zu sein, das im Ausland aktiv ist, beispielsweise in Sachen Yeti, Big Foot, Nessie. Was sind krypto-zoologische Fälle aus Europa bzw. Deutschland?
Es gibt in Europa einige Berichte über hominoide Kreaturen, z.B. aus dem europäischen Russland, Spanien, Schweden, Deutschland, Italien oder Polen.
Hinzu kommen sogenannte Alien Big Cats, also Großkatzen oder besser große Katzen außerhalb ihres eigentlichen Verbreitungsgebiets, in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und sogar Deutschland.
Es gibt kryptide Schlangen in Großbritannien, der Schweiz, Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland; kryptide Vögel in Schottland oder Schweden und natürlich kommen ungezählte Monster in den europäischen Seen und vor den Küsten hinzu.
Aber wie gesagt, die Kryptozoologie ist kategorisierend, es gibt zwar all diese Berichte aber ob dahinter tatsächlich existierende Tiere stehen oder standen bleibt zu klären.
Welche krypto-zoologischen Fälle gab es in Deutschland in den letzten Jahren?
In den letzten Jahren machten vor allem Alien Big Cats von sich reden, insbesondere der angeblich im Grenzgebiet zwischen Deutschland, Belgien und Luxemburg umherschleichende sogenannte „
Eifel-Panther“. Auch ein
nicht wirklich zu fassender Bär trieb bei Dillenburg in Hessen sein Unwesen. Beide Angelegenheiten verliefen ergebnislos, zumal sowieso nicht mit einer Großkatzen- oder Bärenpopulation in Deutschland zu rechnen ist.
Wie reagiert Ihr Umfeld darauf, dass Sie sich für krypto-zoologische Fragen interessieren?
Das kommt ganz auf das jeweilige Gegenüber und das jeweilige Thema an. Wenn man anfängt und etwas über den Yeti,
Bigfoot oder
Nessie erzählt, muss man sich nicht wundern, wenn man belächelt wird. Deshalb ziehe ich diese Kryptide trotz ihrer Bekanntheit nicht gerne als Beispiel für Kryptozoologie heran. Im Allgemeinen aber sind die Reaktionen in meinem Umfeld gut: man muss das Thema nur entsprechend kommunizieren – und so beginne ich ein Gespräch besser mit „ehemaligen“ Kryptiden wie dem
Berggorilla oder dem
Okapi.
Was hat Sie am meisten überrascht? Was war Ihr beeindruckendster Fund?
Mein beeindruckendster Fund war zugleich die größte Überraschung für mich – die Entdeckung eines Magazinartikels und mehrerer Fotos, die neue Erkenntnisse und die hochwahrscheinliche Lösung eines 89jährigen kryptozoologischen Rätsels ermöglichten.
1922 beobachteten Einwohner der Stadt Margate in Südafrika dem Kampf zweier Wale mit einer für sie nicht identifizierbaren Kreatur. Je nach Bericht wurde die Kreatur entweder tot oder völlig erschöpft angeschwemmt, verschwand jedoch immer nach zehn Tagen, ohne dass ein Wissenschaftler sie untersucht hätte.
Die einzelnen Berichte zusammengefasst ergaben das Bild eines rund vierzehn Meter langen Meereslebenwesens ohne erkennbaren Kopf mit weißem Fell, hummerartigem Schwanz und elefantenartigen Rüssel. Letzterem Merkmal verdankt der Kryptid den Namen „
Trunko“ (engl. „Trunk“ für „Rüssel“), der ihm vom britischen Kryptozoologen
Dr. Karl Shuker verliehen wurde.
Da ich es für immens wichtig halte, möglichst auch den Hintergrund der Beteiligten zu kennen, fiel mir das Fehlen detaillierterer Informationen zum überlieferten Hauptaugenzeugen Hugh Ballance auf. Nachdem dies einen bislang nicht bedachten Ansatzpunkt bot, fand ich tatsächlich nach entsprechenden Recherchen eine mögliche Motivation für eine erfundene beziehungsweise falsche Geschichte:
Ballance erwarb 1919 eine Farm in der Gegend des späteren Margate, die er 1921 in einzelne Parzellen unterteilte und an weitere Siedler verkaufen wollte. Der Verkauf verlief jedoch schleppend, vielleicht weil die Region wenig erschlossen war und relativ isoliert lag. In einer solchen Situation sichtete er dann plötzlich ein Seeungeheuer und war so schließlich in der Presse.
Kein einmaliger Vorgang in der Kryptozoologie und ein Motiv hätte somit „Verkaufs- und Tourismusförderung durch spektakuläre Monstersichtung“ seien können.
Während der Recherchen stieß ich schließlich auf einen Internetartikel der Margate Business Association zu Trunko, der ein mir bis dahin unbekanntes Bild eines
Globsters zeigte. Dank der äußerst freundlichen Hilfe eines Sammlers gelang es mir dem Hinweis auf einen Magazinartikel auf Wide World News zu folgen und ein Exemplar des alten Magazins zu erhalten. Der Ablauf der damaligen Vorgänge stellte sich nun genauer dar.
Zunächst wurde ein fürchterlicher Kampf auf See von Einwohnern Margates beobachtet. Diese waren der Meinung einen Wal und ein anderes unbekanntes Tier gesehen zu haben. Etwa drei Wochen danach wurde ein totes „Seemonster“ am Strand angespült und aufgefunden. Keiner konnte sagen, ob es ein Octopus, Wal oder Eisbär war. Etwa zehn Tage später war die Kreatur vom Strand verschwunden, wahrscheinlich von den Wellen fort getragen.
Mitte des folgenden Monats wurde vermutlich dasselbe „Monster“ nochmals angespült, diesmal drei Meilen Küste aufwärts. Ein Journalist in Margate schoss dann die drei Fotos des Kadavers, die ich viel später finden sollte. Vom Aussehen des Kadavers und durch die näheren Beschreibungen schlossen sowohl Dr. Shuker als auch ich auf einen sogenannten Globster, eine meistens elfenbeinfarbene, weißliche organische Masse ohne erkennbaren Kopf, Knochen, Extremitäten oder Ähnlichem.
Nach Vergleichen mit anderen Globsteranalysen ist die wahrscheinlichste Erklärung für Trunko damit, dass es sich um nichts anderes als einen Walkadaver handelte.
Was wünschen Sie sich von der Wissenschaft? Glauben Sie, dass die Krypto-Zoologie so ernst genommen wird, wie sie ernst genommen werden müsste?
Teilweise habe ich diese Frage ja bereits beantwortet als sie mich nach dem Für und Wider einer eigenständigen Wissenschaftsdiziplin fragten. Die unwissenschaftliche Arbeit beziehungsweise die „Internet-Kryptozoologie“ ist für mich und für viele Wissenschaftler wohl das Hauptproblem.
Vielfach wird einfach der Boden naturwissenschaftlicher Realität verlassen, es wird subjektiv argumentiert, sich im Spekulativen verloren oder belegte Erkenntnisse nicht akzeptiert.
Interesse an Wissenschaftlichkeit ist definitiv vorhanden, auch wenn es nur selten beim Namen genannt wird. Insofern wünsche ich mir von der Wissenschaft, dass sie interessierten Personen beim Einhalten wissenschaftlicher Grundlagen für die Kryptozoologie hilft. Ich wünsche mir andererseits von interessierten Personen allgemein viel mehr, dass diese sich nicht nur von den fabel-haften Aspekten leiten lassen, sondern sie sich auch wissenschaftliche Grundkenntnisse aneignen und anwenden.
Auch Seemonster beschäftigen einige Kryptozoologen.
Quelle: cuttlefish / Flickr / CC-BY-SA
Wie viele Krypto-Zoologen gibt es schätzungsweise in Deutschland, in Europa, in der Welt?
Ich habe vorhin ja bereits versucht zu erläutern was Kryptozoologe bedeutet, daher ist es schwierig dies abzuschätzen. Ernsthaft beschäftigen sich geschätzt vielleicht höchstens zehn bis zwanzig Personen in Deutschland und Europa mit Kryptozoologie. Weltweit vielleicht dreißig Personen. Wohlgemerkt ernsthaft und mit Außenwirkung wie z.B. Publikationen.
Aktuell hat die NASA ja
herausgefunden, dass es Organismen auf der Erde gibt, die Phosphor durch Arsen ersetzen können. Hat dies Einfluss auf die Arbeit der Krypto-Zoologen?
Es handelt sich bei diesen Organismen soweit ich weiß um Bakterien, die unter künstlichen Bedingungen konzentriert Arsen bekamen und gegen Phosphor, einen Grundbaustein des Lebens, eintauschten – allerdings nicht komplett. Ob dadurch neues oder anderes Leben auf fremden Planeten denkbar wäre, ist nicht nur meines Erachtens fragwürdig sondern auch für Experten, ganz zu schweigen von neuem oder anderem Leben auf der Erde.
Daher sehe ich für die Kryptozoologen erst einmal keine Auswirkung, zumal die Kryptozoologie beziehungsweise auch die ethnologische Bekanntheit als Anforderung für die Kryptiden eine gewisse Körpergröße erfordert. Bakterien sind als eigenständig wahrgenommene Kryptide definitiv zu klein.
Gibt es Verbindungen zwischen der Krypto-Zoologie und der Suche nach außerirdischem Leben bzw. der
Exobiologie?
Beide Bereiche suchen nach Lebewesen, jedoch auf völlig unterschiedliche Art und Weise und mit völlig unterschiedlichen Grundvoraussetzungen. Die Exobiologie wird natürlich mit ähnlichen Vorurteilen konfrontiert wie die Kryptozoologie, denn wer denkt beim Stichwort „außerirdisches Leben“ nicht auch gleich an fliegende Untertassen und grüne Männchen ähnlich wie bei Kryptozoologie an „Bigfoot“ und den „Yeti“?
Woran
arbeiten Sie aktuell?
Meine derzeitige Faszination gilt sogenannten „Pseudo-
Plesiosaurier“, obwohl in diesen Fällen angeschwemmter toter Tiere bereits bekannt ist, um welche Art es sich handelte. Von ihrer äußeren Form erinnern diese Kadaver wie ihr Name bereits aussagt oftmals an Vertreter der ausgestorbenen marinen Reptiliengruppe der Plesiosaurier: sie haben einen kleinen Kopf, einen langen dünnen Hals, einen spitz zulaufenden Schwanz und einen großen Körper mit relativ großen Flossen.
Die Ähnlichkeit wird bedingt durch den Verwesungsprozess und äußere Faktoren nach dem Tod des
Plankton filtrierenden Riesenhais. Sobald das Gewebe weich wird, fällt der riesige und nicht wirklich fest mit dem restlichen Körper verbundene Kiemenapparat inklusive des Unterkiefers weg. Vom vorderen Körper beginnend ab den Brustflossen bleibt dann nur die Wirbelsäule und der kleine obere Teil des Schädels übrig. Da die Wirbelsäule an der Schwanzflosse bei Haien nach oben gebogen ist, verschwindet der untere Schwanzlappen ohne irgendwelche Hinweise auf seine Existenz.
Nun sieht es so aus, als verfüge das Tier lediglich über einen langen, dünnen Schwanz und eben über keine Schwanzflosse. Hinzu kommen weitere Faktoren wie die verrottende oder von Fischen aufgefresse Haut oder aufbrechende Muskelfasern, was den Eindruck von Haaren beziehungsweise vom Vorhandensein einer Mähne erweckt. Dieses obskure Aussehen führte immer wieder dazu, dass die Kadaver nicht gleich von jedem identifiziert werden konnten, sondern vielmehr als „Seeungeheuer“ beziehungsweise kürzlich noch lebende, eigentlich ausgestorbene Meeresreptilien angesehen wurden und somit zu einem Fall für die Kryptozoologie wurden.
Vielen
Dank für das Interview!
P.S.: Herr Hemmler betreibt auch eine interessante
Internetseite.
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