Ich werde Vater. Bald.
Viele Veränderungen bahnen sich an, einige sind schon umgesetzt. Eine Schwangerschaft ist auch für den werdenden Vater eine Reise. Eine Reise ins Ungewisse. Das musste ich in den letzten Monaten lernen.
Wenig auf dieser Reise ist so, wie es im Fernsehen suggeriert wird. Die wenigsten Formate geben sich die Mühe, den Verlauf der Schwangerschaft zu betrachten. Der Akt, der der Schwangerschaft voraus geht, wird dagegen eingängig betrachtet. In keinem Liebes- oder Actionfilm darf er fehlen.
Mal mehr, mal weniger explizit und eingängig gefilmt. Um die explizitere Filmvariante hat sich dabei eine ganze Industrie gebildet. Gelegentlich wird behauptet, auch das Internet habe sich mehrheitlich um die Frage gewoben, welche Arten des Geschlechtsverkehrs mit wievielen Partner und unter Einbeziehung welcher Ethnien zu realisieren sind.
Oder welche Arten besonders verwerflich und sündig sind.
Und welche angesagt sind.
Zum Thema Schwangerschaft jedoch meist Schweigen auf allen Seiten. Auch im Internet. Lediglich „Scrubs“ fällt mir als Serie ein, die sich dem Thema widmete. Und vielleicht noch „Rosemarie’s Baby“ und „Alien“ – wenn auch hier die Auseinandersetzungsart nicht unbedingt förderlich für Erstgebärende (oder deren Partner) ist.
Ich habe zweierlei festgestellt. Die Schwangerschaft ist lang. Die Schwangerschaft ist mühsam. Für Mann und Frau. Bevor sich hier Frauen empören: Nein, ich kann nicht nachempfinden, wie sich das Ganze für meine Frau anfühlt. Nein, ich weiß nicht, was das für Schmerzen sind. Nein, ich bin nicht derjenige, dessen Körper sich massiv verändert hat. Aber wer sagt, dass es dadurch leichter ist?
Brauche ich wirlich eine Bernsteinkette fürs Baby? Antwort: Nein (Foto: privat)
Und wer sagt überhaupt, dass es für einen der beiden Partner leichter, angenehmer, schöner, emotionaler sein muss?
Meine erste Erkenntnis: Schwangerschaft wirft Paare zurück. Mitunter in ein Rollenbild, dass die Beiden für sich ablehnen. Doch wer „wirft“ hier überhaupt? Nicht das Paar oder primär das evolutionspsychologische Programm, dass die Organismen da abspulen, sondern das Umfeld. Familie, Gesellschaft, Industrie. Sich dem zu entziehen, ist schier unmöglich.
Plötzlich sind sie da, all die irrationalen Hinweisgeber, von denen wir uns sonst so feinsäuberlich fern gehalten haben: Homöopathische Zuckerpillen gegen Schmerzen, Akupunktur zum Drehen des Fötus, Musik auf den Bauch zur pränatalen Entwicklung. Alles Blödsinn. Alles Themen, denen man sich plötzlich wieder stellen muss. In einer Phase, in der eh alle mantra-artig wiederholen: „Jetzt wird alles anders bei euch“ – um dann nachzuschieben: „Aber schön“.
Tausend Entscheidungen – und Einkäufe – wollen getätigt sein, bevor alles zu spät ist. Bevor das Kind da ist, und man eingeschlossen in der eigenen Wohnung nie wieder in Drogerien einkaufen darf, oder eine plötzlich einbrechende Apokalypse dafür sorgt, dass zumindest alle babyrelevanten Artikel ausverkauft und nie wieder lieferbar sind. Das ist wahrscheinlich die wahre Offenbarung der Maya: Kauft Babyartikel bis zum 21.12.2012.
Und was soll ich sagen? Wir haben gekauft. Wir haben gestritten. Wir haben umgebaut. Wir haben umgedacht. Wir haben ein Nest gebaut. Im wörtlichen Sinne. Eigentlich eher gekauft als gebaut. Das „Babynest“. Gibt’s im Baby-Discount. Wo die Frage als taktlos angesehen wird, ob man denn dort auch Babies kaufen könne. Strafende Blicke. Der ständige Begleiter für den Mann während der Schwangerschaft.
Babys angucken, bei Nichtgefallen: Dableiben. (Warnhinweis auf einem Babyprodukt)
Ebenso wie das Gefühl der Ohnmacht. Ohnmacht, gegenüber all den Entscheidungen die zu treffen sind. Ohnmacht, klar zu machen, dass viele dieser Entscheidungen derzeit gar nicht zu fällen sind. Ohnmacht, dem Menschen helfen zu können, den man liebt. Wenn sie Schmerzen hat. Welchem Medikament kann man denn schon wirklich vertrauen? Wenn es um das Wohl des eigenen Kindes geht?
Mir wurde klar: vielen Männern muss es so gehen. Während Schwangerschaft, Geburt, Erziehung. Ohnmächtig. Alle Paare stehen aber vor den Fragen: was hilft meinem Kind? Was schadet ihm? Was brauche ich wirklich? Was ist netter Schnick-Schnack?
Elternzeitschriften antworten hierauf, oft esoterisch angehaucht. In sog. „Fachbüchern“ ist es oft nicht besser. Und das Internet ist ein Quell nicht endenwollenden Unsinns zum Thema „Schwangerschaft“ und „Elternschaft“. In diesem Rauschen gehen dann auch die Pyramiden des gesicherten Wissens unter.
Mir wurde klar: ich möchte eine solche Pyramide bauen.
Oder zumindest auf solche hinweisen. Und werde mich nun stärker dem Thema „Elternschaft“ widmen. Ausgehend von meinen subjektiven Erlebnissen. Aufgearbeitet mit Experten.
Mein Ziel: Angst nehmen. Aufklären. Relativieren. Zeigen, dass auch Streits normal sind. Dass Wissenschaft auch im Bereich der Schwangerschaft Interessantes zu sagen hat. Auch wenn Hebammengefühle etwas anderes sagen.
Ich will dazu ermutigen, selbst zu bestimmen, wann man sich wie freut – und wann nicht. Denn Inseln der Zweisamkeit sind während der Schwangerschaft da. Wenn man sie sich schafft. Und frei hält. Und wahrnimmt. Und schätzt.
Meine Frau und ich, freuen uns auf die Geburt unseres Sohnes. Und haben Respekt und manchmal Angst, davor, wie das wird. Doch eines ist sicher:
Ich werde Vater. Bald.
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