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Zwei Master werden Zwei

23.05.2012 | 0 Kommentare

Eigentlich war es ein überraschend unspektakulärer Tag. Weder die deutsche noch die englische Wikipedia verzeichnen weltbewegende Ereignisse für diesen Dienstag vor zwei Jahren. Es ist der 18. Mai 2010, wir sind in Münster. Es ist relativ kühl in diesem Frühling, die Anzeige des Thermometers übersteigt nur knapp den zweistelligen Bereich. Tophit im Radio ist „Alors On Danse“ von „Stromae“. Aber noch etwas anderes kommt an diesem Tag über den Äther, zumindest den digitalen. Eine nach Eurotrash und 80er-Wave klingende Mischung leitet die Worte ein, die seitdem wöchentlich on air sind:
„Hoaxillaaaaa, der skeptische Podcast aus Münstaaaaaa…“

Ja, es ist wirklich schon zwei Jahre her, seit es diese beiden Münsteraner gibt, die zu Ausflüge in die Welt der Wissenschaft und des Pseudonormalen einladen, die Urban Legends auf den Grund gehen und immer wieder auf der Suche sind, nach Experten, die kompetent und amüsant ihre kleine Welt erklären. Und das mit großen Erfolg: während am Anfang um die 100 Hörer dem selbsternannten dynamischen Duo, der Hoaxmistress und dem Hoaxmaster – kurz: den „Hoaxillas“ – lauschten, sind es mittlerweile um die 20 000 Hörer, die jede neue Folge downloaden, Tendenz steigend.

Am Rande des WSCO in Berlin luden die „Hoaxillas“ nun zu ihrer Geburtstagsfeier ein. Und ich war froh dabei zu sein. Denn mich verbindet eine tiefe Verbundenheit zu den beiden Münsteranern, die mittlerweile über das Skeptische hinaus geht, und für das man wohl den Begriff „Freundschaft“ zurecht benutzen kann. Dabei möchte ich zu Protokoll geben, dass wir nicht immer einer Meinung sind, egal in welchem Ausschnitt der Wirklichkeit, dass uns aber eine gemeinsame Überzeugung eint: nämlich dass es wichtig ist, kritisches und skeptisches Denken zu verbreiten und dass die sog. „neuen“ Medien dabei eine wichtige Rolle spielen. Warum ich meine Verbundenheit ausführe? Weil ich nicht beabsichtige einen neutralen, sachlichen Bericht über die Feier in Berlin zu schreiben, und weil ich möchte dass Du, lieber Leser, einordnen kannst, warum dies so ist.

(Vielleicht stelle ich meine Verbindung zu den Beiden aber auch nur so positiv da, um dann unterschwellig noch böser über sie herziehen zu können. Vielleicht ist auch unsere Freundschaft nur gespielt, Teil eines perfiden Plans zur Beeinflussung der Maßen, eine Zweckallianz, wie das Bündnis Schröder-Lafontaine vor der Abwahl Helmut Kohls. Es gilt auch hier: Im Zweifel für den Zweifel.)

Familienfeier, Geburtstag, Hörertreffen – Alles in Einem (Foto: Peter OinDo)

Wie dem auch so, ich war schon recht gespannt auf das Abendprogramm in der
Pizzeria „La Forneria“. In der Kantstrasse. „Na klasse,“ musste ich denken, als ich die Adresse hörte. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Menschen da draußen, finde ich Kant doof. Sein Stil zu schreiben ist umständlich, affektiert und übertrieben, ebenso wie Teile seiner philosophischen Inhalte. Kant vereinte eigentlich all das ganz gut, was man nicht haben sollte, wenn man Menschen Wissenschaft und Gedanken nahe bringen wollte und hat durch seine Schreibe bis heute einen unheilvollen Einfluss auf die Art gehabt, wie gerade deutschsprachige Akademiker formulieren. Andererseits: es gab keine andere Lokalität, in der man mal eben ein Treffen für 50 Leutchen einladen konnte, und das noch an dem Abend, an dem das Champions League Finale ausgetragen wurde, allerdings, Diskordia sei Dank, nicht in Berlin, sondern in München. Um ehrlich zu sein, so ganz konnte ich mir nicht vorstellen, dass wirklich so viele Menschen auftauchten, nur weil die Hoaxillas dazu eingeladen hatten. Zwar hatten sie mir von ihren Hörertreffen in Münster und Köln berichtet, aber „Hey,“ so dachte ich „das war NRW. Hier sind wir weit, weit weg vom Hoaxilla-Hauptquartier.“ Ich sollte Unrecht behalten.

Mit den Hoaxillas und mir waren es bereits knapp acht Skeptiker, die vom WSCO zum Italiener trotteten. Darunter auch Skeptiker-Unikum Mark Benecke und Vortrags-Ass Holm Hümmler. Vor Ort wartete zwar noch niemand auf uns, aber wir fanden einen großen, leeren Raum, in dem sonst der Raucherbereich untergebracht war. Und dieser Raum füllte sich nach und nach. Und, tatsächlich, die Anwesenden waren extra für die Hoaxillas gekommen, für zwei Menschen, die sie persönlich nicht kannten, denen sie aber regelmäßig Zeit schenkten und die ein fester Bestandteil ihres Lebens waren.

So wie Niels, 13 Jahre alt. Regelmäßig macht er Judo, einmal die Woche. Und muss dafür einen etwas weiteren Weg auf sich nehmen. Der Fahrer ist immer der selbe: sein Papa. Und was hören die Beiden auf der Fahrt? Der Leser mag es sich denken: die jeweils aktuelle Folge „Hoaxilla“. Gemeinsam lauschen die Beiden dann aufmerksam den Ausführungen aus Münster, rätseln zusammen, ob die Story der Woche wohl diesmal wahr ist, freuen sich über jeden neuen Interviewpartner, und sind, vielleicht, ein wenig traurig, wenn die Fahrt endet. Aber nächste Woche geht es ja wieder zum Training… Niels ersteigerte auch das Handy der Hoaxmistress, als diese es, eher scherzhaft, zum Verkauf benannte und nun das: ein Treffen mit den Hoaxillas, und diesem schrulligen Mark Benecke, immer in der Nähe seines Vaters. Es ist eine Geschichte, die so schön, so menschlich, so echt ist, dass sie unrealistisch verkitscht wirkt, und doch ist sie wahr.

Niels im Glück (Foto: Peter OinDO)

Und da sind all die anderen Hörer und Fans, insgesamt knapp 50 an der Zahl über den ganzen Abend, die gemeinsam einfach einen schönen Geburtstag feiern. Mit Alkohol und vielen, kleinen und einigen längeren Gesprächen. Zum Thema Wissenschaft, Medien und Skeptizismus. Aber auch zur Frage, welches Festival man im letzten Jahr besucht hat, oder was so der letzte Kinofilm war, den man sich angeschaut hat. Ich spüre: das Ganze hier ist Mehr als ein 60minütiger Podcast, der (seit Episode 3) jeden Sonntag downloadbar ist, es ist etwas Familiäres, das der Skeptizismus zwar verbindet, dessen Wurzeln aber tiefer gehen, und sich wohl aus dem Wunsch nach einer Weltsicht speisen, in der Glaube nicht mehr maßgeblich für die Gesellschaft sein sollte, sondern das Hinterfragen – unaufgeregt, humorvoll. Vermittelt durch die Möglichkeiten einer vernetzten Welt. Da ist es sicher kein Zufall, dass plötzlich „Holgi“ in der Tür steht, eine Twitterikone, deren Faszination sich nur dem erschliesst, der online eine Heimat gefunden hat.

Die Hoaxillas verbinden Menschen, die bisher das Gefühl hatten, mit ihren Fragen allein zu stehen. Sie verbinden sie ohne moralischen Zeigefinger, ohne überflüssigen, akademischen Mummenschanz oder anachronistischer Innovationsfeindlichkeit.

Der Abend dauert für die Letzten bis kurz vor Zwei, denn am nächsten Tag geht um Neun der Kongress wieder weiter. Dabei hätten wir alle noch stundenlang dort sitzen und miteinander reden und feiern können.

Zurück aus Berlin freue ich mich auf diesen Sonntag. Mittlerweile ist der 1 000 000 Download einer Hoaxilla-Folge erreicht und Folge 90 steht vor der Tür. Ich bin gespannt, wie die nächste Geburtstagsfeier aussehen wird – ich werde dabei sein!

Happy Birthday,
Hoaxilla!

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